Im Umgang mit dem Coronavirus hat der Bonner Virologe Hendrik Streeck für einen Strategiewechsel geworben. Gegenüber der „Welt am Sonntag“ sagte er: “Wir dürfen uns bei der Bewertung der Situation nicht allein auf die reinen Infektionszahlen beschränken”.
Zwar gebe es einen signifikanten Anstieg der Zahl an positiv getesteten Menschen in Deutschland wie auch in Europa. “Gleichzeitig sehen wir aber kaum einen Anstieg der Todeszahlen.” In dieser Lage müsse es eine neue Bewertung des Umfangs und der Dauer von staatlichen Einschränkungen zur weiteren Eindämmung der Pandemie geben.
Die Infektionen sollten daher grundsätzlich weiter verhindert werden, doch könnten die absoluten Zahlen anders interpretiert werden. Streeck sagte, dass eine Infektion ohne Symptome gesellschaftlich betrachtet nicht zwangsweise schlimme wäre. “Je mehr Menschen sich infizieren und keine Symptome entwickeln, umso mehr sind – zumindest für einen kurzen Zeitraum – immun. Sie können zum pandemischen Geschehen nicht mehr beitragen.”
Der Direktor des Instituts für Virologie und HIV-Forschung an der Universität in Bonn sagte zudem, dass es auch wichtig ist darauf hinzuweisen, dass im Umgang mit der Pandemie niemand den richtigen Weg kenne. Doch das Leben könne man nicht einfach pausieren lassen. “Wir können nur ausprobieren – und wir müssen auch Fehler machen dürfen.”
Schnelltests als Momentaufnahmen
Durch Antigen-Schnelltests könne zudem eine Infektion in wenigen Minuten festgestellt werden. Er sagte, dass solche Tests auch bei Personal von Heimen und Kliniken als Momentaufnahmen genügen würden. Daraus können sich perspektivisch ergeben, dass auch Besucher auf diese Art und Weise getestet werden. “Man mag sich eine Security-Schleuse am Eingang des Pflegeheims vorstellen. Es wird getestet, und ein Ergebnis liegt innerhalb von zehn bis fünfzehn Minuten vor. Menschen würden so nicht weggesperrt, aber viel besser geschützt.”
Derzeit befinden sich viele dieser Test in der Entwicklung, erste sind sogar schon erhältlich. So genau wie die normalen PCR-Tests sind sie dabei zwar nicht und können daher lediglich als Ergänzung genutzt werden, so Matthias Orth, Chefarzt des Instituts für Laboratoriumsmedizin im Marienhospital in Stuttgart.
Auf jeden Fall ist die Zahl der Todesfälle im Verhältnis zur Zahl der Infektionen in Deutschland weiterhin rückläufig. Besonders jüngere Menschen haben sich in der letzten Zeit häufiger angesteckt, wie das Robert-Koch-Institut berichtet. Dabei kam es aber selten zu schweren Verläufen. Dennoch müsse eine Zunahme der Infektionen insbesondere bei älteren und gefährdeten Menschen weiterhin vermieden werden.
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