Der Historiker Heinrich August Winkler sieht an der aktuellen Misere der liberalen Demokratien auch eine Mitschuld der liberalen Eliten.
“Bei der sogenannten Flüchtlingskrise ist in Deutschland deutlich geworden, wie sehr gute Absichten und moralische Haltungen zu gefährlichen Schlussfolgerungen führen können. Bis hin zu dem, was man moralischen Größenwahn nennen könnte”, sagte der Historiker dem Nachrichtenmagazin Focus. Man werde sich in Zukunft fragen müssen, was die “liberalen Kräfte im weitesten Sinne falsch gemacht haben”.
Winkler gibt auch der Ansprache der Politiker an die Wähler eine Mitschuld: Die “politischen Eliten” würden immer wieder “am Gros der Bevölkerung vorbei” reden oder den Eindruck erwecken, “als ob sie sich der `dumpfen Provinz` gegenüber haushoch überlegen fühlen”. Sie würden dabei so tun, “als ob nur sie wüssten, wie sich der Rest der Gesellschaft zu entwickeln habe”.
Als Beispiel dafür nennt Winkler das Zitat von US-Präsidentschaftskandidatin Hillary Clinton, die im Wahlkampf der Demokraten 2016 vom “Basket of deplorables” (“Korb der Erbärmlichen”) sprach, um die Anhänger Donald Trumps zu diffamieren. Das sei ein “Bumerang und nicht untypisch für eine Mentalität der elitären Überforderung”. Politiker müssten “eigentlich wissen”, dass es zur Demokratie gehöre, um Mehrheiten zu kämpfen.
Winkler kritisiert auch explizit die Haltung im linken Lager in Deutschland: “Manche Äußerungen aus dem eher linken Lager liefen auf eine Art deutsches Moralmonopol hinaus, das zutiefst irritierend für unsere Nachbarn war.” Es gebe dort die Überzeugung, “dass es aufgrund unserer schrecklichen nationalistischen und militaristischen Vergangenheit eine besondere deutsche Pflicht zum Pazifismus gäbe”. Das sei aber eine “illusionäre Kollektiv-Egozentrik” – “als ob wir allein auf der Welt wären.”
dts Nachrichtenagentur
Foto: Heinrich August Winkler (Archiv), via dts Nachrichtenagentur
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